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Foto: Berliner Büchertisch

Wissenswertes über die Herkunft so mancher Redensart

Bücherfreunde lesen viel und sind selbst meist um schöne Worte nicht verlegen. Doch manch einer macht einem dabei auch gern ein X für ein U vor und hin und wieder lügt einer von ihnen sogar wie gedruckt. Da ist es höchste Zeit, ihm die Leviten zu lesen! Aber was meinen wir eigentlich, wenn wir so etwas sagen? Woher kommen all diese Redewendungen aus den Bereichen Lesen und Schreiben? Die Antworten darauf gibt es in diesem Blog – jeden Monat neu.

Kein Blatt (mehr) vor den Mund nehmen: Die Verneinung in dieser Wendung macht es deutlich: Hier geht es um das Lossagen von einer Handlung, auf die man bislang regelmäßig zurückgegriffen hatte. Aber welche? Die Antwort führt uns in die Theaterszene. Durch Verdecken der unteren Gesichtshälfte mithilfe eines Laub-oder Papierblattes gelang es den im absolutistischen Zeitalter agierenden Bühnenschauspielern, sich unkenntlich zu machen und so eine unbequeme Wahrheit auszusprechen. Das vor den Mund gehaltene Blatt dämpfte und verfremdete außerdem ihre Stimme, sodass auch aus diesem Grund eine eindeutige Zuordnung der umstrittenen Aussage zu einem bestimmten Sprecher unmöglich wurde. Wer kein Blatt vor den Mund nimmt, sagt frei und unverhohlen seine Meinung – ohne Furcht vor Konsequenzen. Dabei nimmt er gewissermaßen das Risiko in Kauf, nicht länger als unbeschriebenes Blatt zu gelten, also als jemand, über den es weder Gutes noch Schlechtes zu sagen gibt. Mag sein, dass für die betreffende Person das Schicksal dadurch plötzlich einen völlig anderen Verlauf nimmt oder– bildlich gesprochen – das Blatt sich wendet. Diese im 16. Jahrhundert bezeugte, wahrscheinlich aber erheblich ältere Redensart hat allerdings nichts mit einem Stück Papier zu tun, sondern mit dem Laub an den Bäumen. Im Anschluss an die Sommersonnenwende, nachdem die Sonne ihren jährlichen Höchststand erreicht hat, kann man beobachten, wie sich sämtliche Blätter in der Natur neigen und wenden. Sehr deutlich ist dieser Vorgang an der Silberpappel zu sehen: Durch die veränderte Blattstellung gelingt es auch ihr leichter, mehr Regenwasser durchzulassen. Dieses Naturphänomen avancierte schließlich zum Sinnbild für Wendepunkte in allen Lebensbereichen.