Eine Rezension unserer Kundin Tracy:

Anders als erwartet, aber dennoch eine überwältigende Geschichte

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„Glück is´ umsonst, sagt Mama…“ Die 15-jährige Carey wohnt mit ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter zusammen in einem alten Campingwagen mitten in einem riesigen Wald. Da die Mutter drogenabhängig ist und in der Stadt neue Vorräte besorgen muss, ist sie oft tagelang nicht da. Viel Zeit ist vergangen, doch sie taucht immer noch nicht auf. Aber dafür kommen andere, fremde Menschen. Und diese wollen Carey und Jenessa mitnehmen, raus aus dem Wald. Weg von ihrem Zuhause. Sie wurden gefunden! Wird das Leben jetzt einfacher? Und schafft Carey es, die Vergangenheit hinter sich zu lassen?

Der Schreibstil ist flüssig, macht Lust auf´s Weiterlesen. Carey erzählt aus der Ich-Perspektive im Präsens. Die ersten Seiten waren ein bisschen schwierig zu lesen, weil Carey eine sehr gewöhnungsbedürftige Ausdrucksweise hat. Diese legt sich aber schnell, fast schon gespenstisch schnell – kann man schlechte Angewohnheiten so schnell ablegen? Die Autorin schafft es, Spannung zu erzeugen und zu halten. Careys Rückblicke in die Vergangenheit werden zum besseren Textverständnis kursiv gekennzeichnet.

Obwohl, oder gerade weil Carey so viel schlechtes und grausames erleben musste, ist sie eine enorm starke Persönlichkeit. Und trotz aller Sorgen ums Überleben, ist sie sehr mutig und schafft es immer wieder auch ihre Schwester Jenessa zu motivieren nicht aufzugeben. Jenessa wirkt recht flach neben der Protagonistin. Ich konnte ihr nichts abgewinnen. Careys Vater konnte ich lange Zeit nicht einschätzen, er war oft präsent, hat aber leider nie viel gesprochen. Melissa war herausragend nett und aufgeschlossen, was mir leider zu unrealistisch vorkam, wenn man bedenkt, dass sie mit ihrer Tochter und ihrem Mann alleine lebt und plötzlich ziehen zwei wildfremde Mädchen dazu. Delaneys Haltung zu der neuen Situation finde ich sehr angebracht und nicht zu überspitzt. Mich hat sogar gewundert, dass sie sich doch recht schnell geschlagen gegeben hat, ich habe fast noch krassere Sachen in Bezug auf Carey erwartet. Schade fand ich auch hier, dass scheinbar alle Jenessa gleich ins Herz geschlossen haben, wovon man nur wenig mitbekommt, und daher wirkt es für mich nun einmal nicht aufrichtig. Insgesamt hätten auch die Nebenakteure noch stärker einbezogen werden sollen.

Eine Rezension zu diesem Buch abzugeben, fällt mir sehr schwer. Das liegt zum einen und hauptsächlich daran, dass es emotional sehr aufwühlend ist, und es mir darum schwerfällt, es zu bewerten und in eine vorhandene Schublade zu stecken. Zum anderen weiß ich noch nicht, inwiefern ich die Lobeshymnen der anderen Leser für dieses Buch teilen kann. Die Idee, auf der das Buch beruht ist wirklich super. Die Geschichte ist in der heutigen Zeit gar nicht mal so weit hergeholt, was ihr aber auch einen bitteren Beigeschmack gibt.

Während ich zum Anfang jedoch noch gar nicht sagen konnte, in welche Richtung sich das Buch entwickelt, und ich gedanklich ständig nur Vermutungen anstellen konnte, fügten sich ab der Hälfte des Buches die Puzzlestücke langsam etwas mehr zusammen. Die Autorin schafft es, dass man im Verlauf sehr stark emotional eingebunden wird, man wünscht sich für Carey und ihrer neuen Familie nur Gutes, ahnt aber, dass dies noch nicht alles war und es zum auflösenden Ende hin gefühlsmäßig noch mal sehr turbulent wird. Das Buch ist nichts für Zartbesaitete, auch als Jugendbuch ab 14 Jahren empfinde ich es noch als zu schwere und unverdauliche Kost. Es ist stellenweise so berührend aber auch verstörend, dass man einfach mitleiden muss. Wenn ihr uns findet hat mich lange nicht losgelassen, trotz dem, dass alles irgendwie besser wird, gibt es nach Carey und Jenessas Vorgeschichte natürlich auch kein richtiges gutes Ende. Ein kleines Nachwort hätte ich mir persönlich schon gewünscht, aber wahrscheinlich wäre dann doch noch ein Happy End entstanden, was die Autorin so wohl nicht gewollt hat. Das Buch endet in meinem Kopf mit einem langen Nachhall, man kann es nicht mehr so leicht abschütteln und einige Szenen spukten immer wieder in den Gedanken herum …

Die Story beruht größtenteils auf vergangene Geschehnisse und nimmt auch erst ab der Hälfte Fahrt auf, und zeigt dem Leser auch erst dann, wohin die Reise gehen soll. Ein paar Szenen wie der Schuleintritt, die Party oder die leichte Liebesbeziehung waren für das Hauptaugenmerk der Geschichte meiner Meinung nach kaum von Belang. Des Weiteren erfahre ich zu wenig persönliches über und aus der Sicht von Delaney, Melissa und dem Vater. Man bekommt fast nur einen Einblick in Careys Welt. Die anderen fallen mir zu sehr hinten herunter. Da wünsche ich mir mehr Informationen. Die Geschichte ist auf nur 304 Seiten erzählt, da hätte die Autorin gern noch ein wenig mehr Ausbau betreiben können. Für das Erstlingswerk von Emily Murdoch, aber wirklich eine sehr gute Leistung. Meinen Respekt hat sie sich verdient! Ausgestattet mit einer herzzerreißenden Dramatik, aber auch vielen freudigen Momenten ist dieses Buch definitiv sehr lesenswert.

Dieses Buch ist im Onlineshop und in unseren Läden bestellbar. Mit deiner Bestellung bei uns förderst du unsere Arbeit als soziales und integratives Unternehmen und unterstützt uns bei der aktiven Leseförderung durch Projekte wie den Berliner Lesetroll.

Titel: Wenn ihr uns findet
Autorin: Emily Murdoch

Übersetzerin: Julia Walther
Verlag: Heyne
Genre: Kinder- und Jugendbuch
ISBN: 978-3-453-53434-6
Preis: 15,99 Euro

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