Eine Rezension unserer Mitarbeiterin Melanie:

ohne fleißIm Klappentext heißt es „Er ist der deutsche Wladimir Kaminer“. Dementsprechend hatte ich erwartet, dass Martin Hyuns Ohne Fleiß kein Reis – Wie ich ein guter Deutscher wurde einfach nur nette, kurzweilige Geschichten über Missverständnisse und unterschiedliche Mentalitäten in einem deutsch-koreanischen Kontext (in zweiter Generation) erzählt. So war es aber nicht.

Das Buch enthält zwar auch witzige Anekdoten, wie die von einem vermeintlichen Deutschkurs für Martin Hyuns Vater, der sich als Türkischkurs herausstellt. Insgesamt handelt es sich bei Ohne Fleiß kein Reis aber um ein Sammelsurium vieler Eindrücke und Denkanstöße zum Leben in Deutschland und dem Umgang mit Menschen mit unterschiedlichen Herkünften oder Wurzeln. Es mischen sich Autobiographisches  (Martin Huyn ist deutscher Staatsbürger und Sohn koreanischer Einwanderer), Beobachtungen, Erfahrungen von Freunden oder Fremden aus dem Alltag oder auf dem Arbeitsmarkt mit Hinweisen auf Untersuchungsergebnissen, Statistiken und fremden Meinungen zum Thema Integration.

Die einzelnen, jeweils recht kurzen Kapitel sind in sich abgeschlossen und lassen sich wohl auch durcheinander lesen. Es gibt einen roten Faden, aber auch eine große Themenvielfalt und Sprünge zu Teilaspekten, zwischen Einzelbeobachtungen und Gesamtbetrachtungen, die man nicht alle beim ersten Lesen erfassen kann. Zumindest nicht, wenn man sich bisher nur wenig mit dem Thema befasst hat.

Am Anfang habe ich mich mit dem Stil und Humor des Autors etwas schwer getan. Wegen der vielen ironischen bis sarkastischen Bemerkungen konnte ich nicht immer einordnen, was ernst gemeint war und was nicht. Später bin ich dann besser in das Buch „eingetaucht“ und habe vieles gelernt. Wie zum Beispiel, dass die Bundesrepublik 1963 auch mit der Republik Korea ein Anwerbeabkommen unterzeichnet hat. Oder ein paar Kreationen für neue politisch korrekte Ausdrücke gelesen. Mein großer Favorit: Analog-Deutsche. Hierzu eine Probe des zuweilen beißenden Humors im Buch: „Man stelle sich nur vor, es könnte so schön heißen: ‚In diesem Analog-Deutschen sind nur Spuren deutscher Wurzeln enthalten. Diese wurden durch evolutionäre Prozesse entwickelt’“.

Manche Schlussfolgerungen kamen mir etwas voreilig oder pauschal vor, z. B. was den Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst angeht. Insgesamt aber habe ich viele interessante Denkanstöße bekommen und weiter über das Thema nachgedacht. Zum Beispiel was die häufige Forderung angeht, dass sich andere Kulturkreise in die deutsche Gesellschaft einfügen sollen. Martin Hyun wünscht sich hier einen Perspektivwechsel zur Aufnahme unterschiedlicher kultureller Richtungen in ein Land, das sich als Einwanderungsland wahrnehmen sollte. Im Buch verbindet Martin Hyun diesen Gedanken mit dem Hinweis auf das selbstverständliche Fach „Einwanderungsgeschichte“ in US-amerikanischen Lehrplänen.

Insgesamt befasst sich das Buch mit sehr vielen verschiedenen Aspekten der Integrationsdebatte und zeigt ihre Vielschichtigkeit auf. Auch wenn ich nicht alle Ansichten darin teile, empfehle ich das Buch jedem, der sich mit dem Thema auch mal jenseits der Gute-Laune-Integration („Einmal Hans mit scharfer Soße“) oder Problem-Polemik („Deutschland schafft sich ab“) beschäftigen möchte.

Dieses Buch ist im Onlineshop und in unseren Läden bestellbar. Mit deiner Bestellung bei uns förderst du unsere Arbeit als soziales und integratives Unternehmen und unterstützt uns bei der aktiven Leseförderung durch Projekte wie den Berliner Lesetroll.

Titel: Ohne Fleiß kein Reis – Wie ich ein guter Deutscher wurde
Autor: Martin Hyun
Verlag: btb
Genre: Sachbuch
ISBN: 978-3-442-75343-7
Preis: 14,99 Euro

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