Eine Rezension unserer Kundin Melanie:

Regener_Magical_Mystery_CoverIn Sven Regeners Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt trifft Karl Schmidt, bester Freund von Frank Lehmann, der Hauptfigur in Regeners erstem Roman, fünf Jahre nach seinem depressions- und drogenbedingten Zusammenbruch zufällig in Hamburg auf einen alten Bekannten aus Berlin, der mittlerweile erfolgreicher Techno-Produzent ist. Karl, der im Rahmen seiner Therapie kurz vorher seine Medikamente abgesetzt hat, lässt sich von seinem Berliner Freund überreden als Fahrer und „Aufpasser“ die geplante Techno-Tour zu begleiten. Titel der Tour ist „Magical Mystery“. Durch den Roman zieht sich dann entsprechend immer wieder die Frage „Magical Mystery Tour, war die nicht von den Beatles? Und ist die nicht damals irgendwie in die Hose gegangen?“. Karl Schmidt, der schon aufgrund seiner Drogenvorgeschichte nüchtern bleiben muss, stellt sich als perfekter Begleiter für diese chaotische Reise heraus und findet selbst zurück ins „echte Leben“.

Regeners vierter Roman der Serie, die mit Herr Lehmann begann, hat mir sehr gut gefallen. Mit seinen oft absurden Dialogen, chaotischen Geschehnissen, mit den ironischen Schilderungen von der Techno-Szene oder vom Alltag in Karls drogentherapeutischer Wohngemeinschaft. Und dem Einblick in Karls Gedankenwelt, der während der Tour auch gegen seine wiederaufkommende Depression/Paranoia kämpft, sich fast väterlich um seine „kleinen Partygranaten“ kümmert, und selbst sogar eine erfrischend undramatische Liebesgeschichte erlebt. Regener schreibt in langen Schachtelsätzen, die sich aber, wie ich finde, trotzdem angenehm lesen, weil sie dem assoziativen Muster menschlicher Gedankengänge folgen. Seine Dialoge haben wie schon in früheren Romanen einen absurden Humor, der mich an Loriots Sketche erinnert, bei „Magical Mystery“ aber eben in der Techno-Szene oder in drogentherapeutischen Einrichtungen statt in einer kleinbürgerlichen Szenerie. Bei aller Ironie und ungeschönter Wiedergabe sinnbefreiter Äußerungen oder des ausschweifenden Drogenkonsums der tourenden Raver, bleibt der Erzählstil aber immer liebevoll und menschlich und wird nie verachtend oder herablassend.

Glaubt man anderen Rezensionen wird das Phänomen der deutschen Technoszene und sein Erfolg in den 90ern (von Karls Freund mit den Worten geschildert: „Da kam ein Arsch aus dem Himmel und hat uns zugeschissen“) zutreffend und nüchtern beschrieben. Ich selbst kann das nicht beurteilen, weil ich zu Techno nur ein paar der üblichen Stichworte wie Rave, Love Parade und Drogen nennen könnte. Trotzdem fand ich den Roman sehr unterhaltsam und in seiner Art erfrischend.

Der chaotische und doch irgendwie sympathische Haufen Musiker und Partygänger unterschiedlicher Generationen und Charaktere, der während der Tour zwischen kollektiver Aufregung, allgemeiner Verärgerung, kindlicher Unbeholfenheit, drogenbedingten Missgeschicken, Übermüdung und (bei den „Alt-Ravern“) wehmütigen Rückblicken in die guten alten Anfangszeiten schwankt, beendet die Tour – nicht zuletzt durch Karls zupackende und streitschlichtende Art – schließlich tatsächlich planmäßig und kehrt nach Berlin zurück. Bei der Einfahrt in Berlin zweifelt Karl zwar zunächst, ob die Rückkehr an seinen alten Wohnort richtig ist, beruhigt sich dann aber wieder. So findet der Roman einen wie ich finde schönen und versöhnlichen Abschluss, ohne Kitsch und mit dem speziellen Humor Regeners: „Ich kriegte Panik, weil ich das Gefühl hatte, einen riesigen Fehler gemacht zu haben, und je länger wir die Kantstraße hinunterfuhren, umso schlimmer wurde es, aber dann wachte Rosa auf und sagte mir, wie ich fahren musste, um nach Mitte und zur Sophienstraße zu kommen, und da begriff ich erst wieder, dass sie ja direkt neben der alten noch eine neue Stadt aufgemachte hatten, in der ich noch einmal von vorne anfangen konnte.“

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Titel: Magical Mystery oder: die Rückkehr des Karl Schmidt
Autorin: Sven Regener

Verlag: Galiani Berlin
Genre: Belletristik
ISBN: 978-3-86971-073-0
Preis: 22,99 Euro

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