Wir präsentieren euch einen weiteren Text unseres Schreibwettbewerbs für Kinder, dessen Gewinner eine Jury aus Büchertisch-Mitarbeiterinnen ausgewählt hat. Alle 6 GewinnerInnen erhalten ein Buchpaket und ihr Text wird auf unserer Webseite veröffentlicht.

800px-Childhood_friends_at_a_carnival

Lesefreundinnen oder Lesefeindinnen

von Clara Deifel, 12 Jahre

Ding-dang-dong! Pause! Die ganze Klasse stand in Grüppchen auf dem Schulhof. Alle unterhielten sich oder spielten und hatten Spaß – mit einer Ausnahme: Lena! Lena saß alleine auf einem Stein, mümmelte an ihrem Pausenbrot und dachte nach, wie jede Pause: „So ist es immer, die anderen wollen nichts mit mir zu tun haben. Hätte ich doch bloß mein Buch dabei, dann hätte ich wenigstens einen Freund.“ Sie war sichtlich erleichtert, als die Pause endlich um war.

„Das ist eure Mitschülerin Lara. Bitte seid freundlich zu ihr und nehmt sie gut auf. Lara, setz dich doch bitte hier vorne neben Lena.“, sagte die Klassenlehrerin am Anfang der Mathematikstunde. Lara setzte sich mürrisch und mit abweisendem Gesicht neben Lena. Die beiden wechselten kein Wort. In der Pause setzte sich Lara auf einen Stein, der weit weg von Lenas Stein war, und las. Lara las immer und überall. Lena staunte, jetzt traute sie sich aber noch weniger, ihr Buch mitzubringen. Wer wusste, wie ihre Mitschüler, vor allem Lara, darauf reagieren würde?

Lena und Lara verstanden sich nicht besonders gut, aber sie verstanden sich auch nicht besonders schlecht. Eigentlich verstanden sie sich gar nicht. Lara hatte kein Wort zu Lena gesagt und so sagte Lena auch nichts zu Lara. So ging das Woche für Woche. Lena dachte nach, Lara las und die beiden sprachen nicht einmal miteinander. Eines Tages gab Lena sich einen Ruck. Schüchtern lief sie zu Lara und fragte: „Was liest du eigentlich?“ Plötzlich taute Lara auf und erzählte lebhaft über das Buch. Lena hörte interessiert zu und bat scheu: „Kannst du mir das Buch mal leihen?“ „Liest du denn gerne?“, fragte Lara überrascht. „Na klar!“, nickte Lena, und Lara jubelte: „Das ist ja super. Komm doch heute Nachmittag mit ein paar Büchern zu mir. Dann kannst du dir ein paar von meinen und ich mir ein paar von deinen Büchern leihen.“

Von da an saßen weder Lena noch Lara in der Pause alleine auf irgendwelchen Steinen. Sie hatten sich einen großen Stein ausgesucht, auf dem sie von nun an zusammen saßen. Ihre Mitschüler schüttelten manchmal die Köpfe über die beiden, aber ich bin sicher früher oder später werden auch sie zu Leseratten.

Eine Frage ist noch offen: Warum war Lara eigentlich so mürrisch? Na, ihr könnt es euch sicher denken: Wer zieht schon gerne um?

Statement der Jury

An Claras Geschichte gefällt uns, dass sie eine Situation, wie sie im Alltag von Kindern leider häufiger vorkommt, mit großem Einfühlungsvermögen flüssig und schön formuliert nacherzählt. Neu in einer Klasse zu sein, ist oft ganz schön schwer. Uns freut es sehr, dass aus Claras Sicht gerade Bücher und Lesen dazu beitragen können, einander kennenzulernen und sich anzufreunden.