Eine Rezension unseres Kunden Sven:
In ihren Erinnerungen verrät uns Henriette Herz aus einem ihrer Briefkontakte: „Wenn Alexander von Humboldt in jenen Jahren einer gemeinschaftlichen Freundin und mir von dem seiner Familie gehörenden Schlosse Tegel aus schrieb, datierte er den Brief gewöhnlich von: Schloß Langeweile“ und er gab durch die Blume zu verstehen, „man unterhalte sich besser in Gesellschaft jüdischer Frauenzimmer als auf dem Schlosse der Väter“. Henriette Herz stand nicht nur mit einer ganzen Reihe von Geistesgrößen der damaligen Zeit in regem Briefkontakt, sie begründete auch einen der bekanntesten literarischen Salons. Was hier zur Debatte gestellt wurde, war offensichtlich weniger langweilig als die auf das Private beschränkten Diskussionen im trauten Heim. So gaben sich neben den Brüdern Humboldt hier Friedrich Schleiermacher, Rahel Levin, Dorothea Schlegel und viele andere die Klinke in die Hand.
Es war eben nicht nur der Druck von Büchern, sondern auch eine Berliner Lesekultur, die Aufklärung in Berlin ausmachte. Wenn sie ihren philosophischen Leitspruch in der Aufforderung „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ fand, so war das Aufkommen von Lesegesellschaften das materiale Fundament für die Ausgründung einer Salonkultur als Keimform bürgerlicher Öffentlichkeit. Wenngleich der Zugang zu diesen Kreisen nur einer Minderheit offen stand, konnte der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen, hier Funken schlagen. Obwohl in ihren Erinnerungen dieser gesellig-gesellschaftliche Austausch als Versprechen aufscheint, bleibt Herz gegen Ende ihrer Erinnerungen nicht unbemerkt, dass sich dieser Anspruch zu ihrer Zeit bereits wieder im Verfall befindet. Der melancholische Unterton, der sich hierbei einschleicht, dürfte nicht nur als Vergangenheitssehnsucht und Lifestyle der Frühromantikerin Herz zu verstehen sein. Hinter ihm steckt möglicherweise auch die Erkenntnis, dass Aufklärung keine einfache Geschichte des Fortschritts ist, sondern unter gesellschaftlichen Bedingungen und damit auf einem prekärem Gelände stattfindet.
Als Originalton aus der Zeit dieser Salons und des regen geistigen Austauschs sind die Erinnerungen von Henriette Herz von besonderem Interesse. Ihre Darstellung über Menschen wie Alexander und Wilhelm von Humboldt, Schiller und Goethe, Moses Mendelssohn und andere stellt aufschlussreiche Einblicke in eine Kultur gemeinsamen kulturellen Austauschs dar. Auch in Bezug auf die Fragestellung nach der Eingebundenheit in und Emanzipation von den Geschlechterverhältnissen der damaligen Zeit sind sie eine lohnenswerte Lektüre. Dem 2013 neu aufgelegten Band ist eine Vielzahl farbiger Abbildungen ebenso beigegeben, wie er im zweiten Teil eine ausführliche und ansprechende Auswahl des Briefverkehrs von Henriette Herz enthält. Er ist ein Fundstück!
Dieses Buch ist im Onlineshop und in unseren Läden bestellbar. Mit deiner Bestellung bei uns förderst du unsere Arbeit als soziales und integratives Unternehmen und unterstützt uns bei der aktiven Leseförderung durch Projekte wie den Berliner Lesetroll.
Titel: Henriette Herz in Erinnerungen und Briefen
Autor: Rainer Schmitz
Verlag: Die Andere Bibliothek
Genre: Sachbuch
ISBN: 9783847703471
Preis: 40,00 Euro
Du willst auch eine Buchrezension schreiben? >Hier< bist Du richtig!