Wir präsentieren euch einen Text unseres Schreibwettbewerbs für Kinder, dessen Gewinner eine Jury aus Büchertisch-Mitarbeiterinnen ausgewählt hat. Alle 6 GewinnerInnen erhalten ein Buchpaket und ihr Text wird auf unserer Webseite veröffentlicht.

 Die neue Welt

von Franka Schauer, 14 Jahre

Thema 1: Welt ohne Geld

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Erstes zögerndes Licht erfüllt den Raum. Ich seufze und nehme die Tasche, leise, um meine Geschwister nicht zu wecken. Draußen ist es kühl, Herbst steht vor der Tür. Ich drehe mich nach links, auf zum Markt. Die wenigen Leute, denen ich begegne schauen nach unten und ignorieren die Welt um sie herum, so wie immer. Fast alle, die in den Städten leben sind alt, behindert oder arm. Nur die, die es sich leisten können, leben auf dem Land. Es kostet Zeit, Kraft und Geld, ein Feld zu bestellen und genau das musst du, wenn du in unserer Welt überleben willst. Seit der schrecklichen Weltwirtschaftskrise von 2014 haben die Regierungen aller Länder beschlossen, das Geld abzuschaffen. Was folgte, war eine Völkerwanderung – von den Städten aufs Land. Wer zurückblieb, musste sich andere Wege zum Überleben suchen. Es entwickelte sich der Schwarzmarkt.

Ich suche mir einen ruhigen Platz, von dem aus ich das Geschehen ganz gut beobachten kann. Die Händler eilen durch die Halle, in den Händen die Waren. Noch lassen sich die Kunden nicht blicken, erst, wenn abgesichert ist, dass die Polizei nicht kommt. Natürlich versucht die Regierung, gegen den Schwarzmarkt, auf dem noch mit Bargeld bezahlt wird, vorzugehen. Aber es ist schwer. Sie sind einfach zu gut organisiert.

Unter mir baut jetzt einer seinen Stand auf. Handys, Laptops, Lautsprecher, Radios, Festplatten, CDs und DVDs. Alles Sachen, die man außerhalb dieser Tore niemals kriegt. Ich grinse. Ein guter Tisch. Es dauert nicht lange, da nähert sich der erste Kunde. Eines der Radios verschwindet in seinem weiten Mantel. Knapp 1000 Dollar landen in einer kleinen grauen Kasse. Wieder muss ich grinsen. Und während der nichtsahnende Verkäufer sich umdreht und seine Waren ordnet, beuge ich mich vor und angle einen Hundert-Dollar-Schein aus der Kiste. Es gibt zwei Arten auf dem Schwarzmarkt Geld zu verdienen. Entweder man verkauft ehrlich. Oder man stiehlt.

Plötzlich sehe ich den Schatten. Sofort krieche ich noch mehr in meine Ecke. Der Schatten schleicht durch die Reihen, hier und da streift seine Hand die Tische. Ich erstarre. Mein Atem wird schneller, ich spüre das Adrenalin, das durch meinen Körper schießt. Meine Hände werden kalt, ich presse mich, soweit es geht, an die Wand. Der Schatten erreicht unseren Tisch. Obwohl er einen weiten Kapuzenmantel trägt, kann ich sein Lächeln sehen, als er den kleinen schwarzen Chip ans Tischbein hängt. Mist! Schnell springe ich aus meinem Versteck und bin grade noch rechtzeitig auf dem Gang, als das Licht ausgeht. Mit schnellen, sicheren Bewegungen schlängle ich mich durch die erstarrten Menschen und berühre erleichtert den kühlen Türrahmen. Ich weiß, wie wenig Zeit noch bleibt. Ich drehe mich zur Tür und presse die Augen zu. Mit einem gewaltigen Knall explodieren die Chips und erzeugen eine mächtige Illumination. Ich höre die Schreie der Geblendeten, dennoch ignoriere ich sie und schnappe mir die erstbeste Kasse. Dann stürme ich aus der Halle. Warmes Sonnenlicht scheint auf den Platz. Ich atme durch und gehe nach Hause, das schwere Gewicht der Kasse in der Hand und auf der Seele.

Statement der Jury

An Frankas Geschichte gefällt uns, dass sie im Stil des momentan beliebten Endzeitromans die Vision einer düsteren Zukunft kreiert, in der ganz eigene Gesetzmäßigkeiten herrschen. Sie schafft es, den Leser in Spannung zu versetzen und überzeugt durch schöne, einprägsame Formulierungen. Nahezu poetisch ist aus unserer Sicht der letzte Satz. Er regt den Leser zum Nachdenken über den weiteren Handlungsverlauf an.