Eine Rezension von unserem Kunden Sven:

„Was sind große Reich51vPLMnVPgL._SL500_e, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, anderes als Räuberbanden?“ fragte sich bereits Kirchenvater Augustinus. Dass umgekehrt auch Räuberbanden sich manche gerechte Regel geben, aus der Ungerechtigkeit großer Reiche ausscheren oder gar zur Gerechtigkeit beitragen können, ist Historiker_innen nicht entgangen. Mit Formen von „Sozialbanditentum“ hat sich etwa der im letzten Jahr verstorbene Eric Hobsbawm in seinem gleichnamigen Buch einmal beschäftigt. Auf solche Tendenzen befragen lässt sich auch die Piraterie. Eben diesem Vorhaben hat sich Gabriel Kuhn in seinem Buch Unter dem Jolly Roger – Piraten im goldenen Zeitalter angenommen.

Piratenschiffe, die goldbeladene Schiffe überfielen, nimmt der Autor dabei in verschiedener Hinsicht unter die Lupe: die Wahl des Kapitäns auf Piratenschiffen als demokratischer Gegensatz zur Organisation der Handelsschiffe, krankenversicherungsähnliche Prinzipien zur Absicherung im Verletzungsfall, die kunterbunt zusammengewürfelte Kleidung als subversive Gegenwelt lassen bei den Schiffen, auf denen sich Piraten als „Nomaden der Weltmeere“ bewegen, durchaus demokratische Potentiale deutlich werden. In die Falle der Romantisierung tappt Kuhn bei seiner Aufarbeitung jedoch nicht. Wie er betont, waren die Schiffe, indem sie nicht nur Gold in die Zentren der künftigen Großmächte schufen, sondern auch Sklaven erbeuteten und weiterverkauften, keineswegs nur subversive Gegenwelt, sondern selbst in das koloniale Projekt ihrer Zeit verwickelt.

Das Buch besticht dadurch, dass es ganz verschiedene Perspektiven auf das Phänomen wirft und bei der Beschreibung der Sache unterschiedliche theoretische Ansätze aufgreift. Für aktuelle Diskussionen um die Ordnung von Raum oder auch für Leute, die sich etwa für die Überlegungen von Gilles Deleuze interessieren, verspricht das Buch eine lohnenswerte Lektüre. Gekonnt arbeitet der Autor heraus, wie sich die nomadischen Piratenschiffe in verschiedener Weise als ein bewegliches Element zeigen gegenüber einem kolonialen Projekt, das den Raum nach seinen Gesetzen zu ordnen sucht. Auch die Verfasstheit und Struktur von Piratenschiffen werden auf Basis solider Aufarbeitung einer breiten Fachliteratur deutlich gemacht. Gegenüber der breiten Schilderung und Einordnung subkultureller Elemente kommt die ökonomische Dimension allerdings etwas kurz. Zwar geht der Autor darauf ein, wie nach erfolgreichen Eroberungen die Gewinne direkt ausgegeben und auf den Kopf gehauen werden, anstatt langfristig Kapital aus ihnen zu schlagen, und er weist ebenso auf die Verwicklungen in Gold- und Sklavenhandel hin, eine genaue Aufarbeitung wäre hier jedoch interessant gewesen.

Allen, die schon immer Genaueres über Piraterie wissen wollten, sich für subversive Gegenkulturen interessieren, aber dennoch die kritische Einordnung gegenüber einer bloßen Romantisierung bevorzugen, sei das Buch empfohlen! Lohnenswert ist es sowohl als erster Einstieg ins Thema Piraterie wie auch in Bezug auf Fragestellungen zur Ordnung von Raum.

Dieses Buch ist im Onlineshop und in unseren Läden bestellbar. Mit deiner Bestellung bei uns förderst du unsere Arbeit als soziales und integratives Unternehmen und unterstützt uns bei der aktiven Leseförderung durch Projekte wie den Berliner Lesetroll.

Titel: Unter dem Jolly Roger – Piraterie im goldenen Zeitalter
Autor: Gabriel Kuhn
Verlag: Assoziation A
Genre: Sachbuch
ISBN: 978-3-86241-400-0
Preis: 18,00 Euro

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