Eine Rezension unseres Kunden Sven:

9783803112989Während über Praktiken wie guerilla gardening und Projekte des urban gardening sich Gärtnern wieder im städtischen Raum einnistet, gibt es derzeit auch eine lebhafte Debatte über große historische Gartenanlagen. Punktgenau zum 400.Geburtstag des Architekten des Versailler Schlossgartens hat Stefan Schweizer unter dem Titel André Le Nôtre und die Erfindung der französischen Gartenkunst nun ein wunderbares kleines Buch vorgelegt. Schweizer, der sich seit längerem mit der Kunstgeschichte der Gartengestaltung beschäftigt, gibt hier einen Einblick in die Gestaltung des französischen Barockgartens, der Lust auf Gartenspaziergänge macht. Aber das Buch leistet noch Weiteres: Es zeigt die Entwicklung des Gärtners zum Hofkünstler und arbeitet die Relevanz der Arbeit Le Nôtres für die Herausbildung einer französischen Gartenkunst heraus.

Lange Zeit wurden Barockgärten wie Versailles bloß auf den absolutistischen Herrschaftsanspruch hin gelesen, dem der englische Landschaftsgarten als vermeintlich aufgeklärte Variante gegenübergestellt wurde. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass diese Betrachtung zu einseitig ist. Sie wurde jüngst u.a. in einem wunderschönen Band von Horst Bredekamp am Beispiel des Schlossgartens Herrenhausen auf den Kopf gestellt. Demnach findet gerade im Barockgarten das Prinzip einer unendlichen Individualität ihren Platz. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion ist jetzt ein neues Interesse am Barockgarten entstanden, an das der vorliegende Band wunderbar anschließen kann.

Schweizer zeigt auf, wie die Gärten Le Nôtres nicht nur von einer Serie groß geordneter Achsen durchzogen sind, sondern diese sichtbaren Ordnungen zugleich auch gebrochen werden und sich in der Quere als weitgehend vielfältig und wunderbar entdeckungsreich erweisen. Schweizer schreibt, was jedem und jeder bewusst wird, wenn er oder sie es nicht beim bloßen Blick von der Terrasse belässt, sondern einmal ins Weite flaniert: „Der sich in seiner Wahrnehmung zunächst sicher wähnende Besucher wird vielfach getäuscht, da Le Nôtre offensichtlich die barocke Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zum gestalterischen Grundprinzip erhoben hatte“ (46). In der geometrischen Gestaltung des Gartens selbst hat Le Nôtre die besagte Vielfalt konstitutiv mit angelegt und dabei auf wissenschaftlichen Entwicklungen, wie sie in der Geometrie und Optik aufkommen, zurückgegriffen. Sie flossen zur damaligen Zeit auch in die Entwicklung von Springbrunnen und automatisierten Wasserspielen mit ein, durch die der aktuelle Stand der Technik im Garten seinen Platz finden sollte und die gleichermaßen als Unterhaltung wie als Repräsentativelemente dienten. Auch hierzu finden sich im Buch lesenswerte Ausführungen.

Zum Abschluss des Buches gibt Schweizer einen kurzen Ausblick auf Bezüge der städtischen Raumplanung in Washington D.C. zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf die Landschaftsarchitektur des Versailler Gartens. Das insgesamt flüssig lesbare und hoch informative Buch verweist damit abschließend auf die mögliche Anknüpfung an eine Debatte, die gerade sehr aktuell ist: die Diskussion um die Planung städtischen Raums.

Neben allen, die sich für diese Debatten interessieren oder ein kunsthistorisches Interesse am Gegenstand haben, dürfte das Buch für alle Gartenfreunde und –spaziergänger eine ausgesprochen angenehme Lektüre und eine Vielzahl von Anregungen bieten.

Dieses Buch ist im Onlineshop und in unseren Läden bestellbar. Mit deiner Bestellung bei uns förderst du unsere Arbeit als soziales und integratives Unternehmen und unterstützt uns bei der aktiven Leseförderung durch Projekte wie den Berliner Lesetroll.

Titel: André le Nôtre und die Erfindung der französischen Gartenkunst
Autor: Stefan Schweizer
Verlag: Klaus Wagenbach
Genre: Sachbuch
ISBN: 9783803112989
Preis: 15,90 Euro

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