Wir präsentieren euch den zweiten Text unseres Schreibwettbewerbs für Kinder, dessen Gewinner eine Jury aus Büchertisch-Mitarbeiterinnen ausgewählt hat. Alle 6 GewinnerInnen erhalten ein Buchpaket und ihr Text wird auf unserer Webseite veröffentlicht.
Fremd hier
von Zoe Stallhofer, 10 Jahre
Dieses Mal fliege ich aber sehr lang, also ich kann die Uhr zwar nicht lesen, aber mein Zeitgefühl sagt mir, dass ich noch nie nie nie so lange geflogen bin. BOING, ein heftiger Aufprall unterbricht meinen Flug, ich sehe mich um, Sand, überall Sand, kein Baum, keine Geräusche, nichts. Panik erfasst mich, sie wird so heftig und ich bekomme schreckliche Angst, mir wird klar: „Ich bin fremd hier.“
Ein Tritt reißt mich aus meinen Gedanken, ich sehe Kinder. Sie sehen anders aus als die Kinder, die sonst immer mit mir gespielt haben, ich kann sie auch nicht verstehen, da sie auch anders reden als die Kinder, die sonst immer geredet haben. Wieder ein Tritt und noch einer. „Tore, Tore!“ rufen sie, das Wort kenne ich, es klingt so ähnlich wie das Wort , das gerufen wurde, wenn ich in dem komischen Kasten mit dem Netz gelandet bin, mmh, der Jubel scheint jedoch überall gleich zu sein, na wenigstens ist das irgendwas Vertrautes.
Ich werde unter den Arm geklemmt und bekomme wieder schreckliche Angst, wenn ich nur wüsste, wo ich bin. Ich zähle bis 20, das soll beruhigend wirken… ich frage mich, warum man mich einfach auf der Straße hat liegen lassen? Sonst hatte ich immer meinen Platz in einer Ecke, ich kannte die Geräusche, die Gerüche, ich war der Lieblingsball der Kinder, und nun? Nun werde ich von allen nur sinnlos getreten.
Wieder höre ich Stimmen, laute Stimmen, ein Tritt und alles ist still.
Ich liege in einem fremden Lande, in einer fremden Stadt auf einer fremden Straße und hoffe darauf, dass jemand mich mag, es kommt aber niemand, so löse ich das Ventil, mache mich ganz flach und spüre die Einsamkeit nicht mehr.
Statement der Jury
Zoes Geschichte hat uns überzeugt, weil sie aus der ungewöhnlichen Perspektive eines ausrangierten Fußballs erzählt wird, was sich dem Leser allerdings erst nach und nach erschließt. Auf diese Weise wird nicht nur seine Neugierde geweckt und Spannung erzeugt, sondern es werden gleichzeitig verschiedene Aspekte des Fremdseins angedeutet: das Erkennen von Unterschieden zu und Gemeinsamkeiten mit anderen, das Bedürfnis angenommen zu werden und die Angst vor Zurückweisung. Das macht den Text vielseitig und einzigartig.