Unser Mitarbeiter Danilo schrieb die folgende Rezension.
Der Klappentext des Buches und die Werbung zum Buch „Vier Fische“ sind vielversprechend so wird angekündigt, dass der Autor den Weg des Fisches auf die Teller nachzeichnet. Das Deutschlandradio lobt das Buch, da es „jegliche Panikmache meidet. Es appelliert an die Verantwortlichen.“ Vielversprechend sind die Fragen, denen Greenberg in seinem 311 Seiten starkem Buch nachgeht: Was ist der Unterschied zwischen Wild-, Zucht- und Biofisch? Oder sollten wir ganz aufhören, Fisch zu essen? Aber nachdem ich mich durch dieses Buch gequält habe, kann ich keinen Lobgesang auf den Fischliebhaber und Hochseeangler Paul Greenberg singen.
Dieses Buch hätte aufgrund seiner genauen Recherchen zu Aquakulturen, Zuchtanlagen und Fangquoten von den Beispielfischen Lachs, Thunfisch, Barsch und Kabeljau eine tolle Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit Fischfang und Fischzucht sein können. Greenberg zeigt kenntnisreich auf, wie der ungezügelte Fang von Fischen fast zu deren völliger Ausrottung beigetragen hat. Er kritisiert die ökologischen Folgen der Aquakulturen und deren Ineffektivität. So wird für zum Beispiel für 1 Kg „Zuchtlachs“ 1,5 Kg Wildfisch benötigt.
Spannend lasen sich die Stellen über das gesundheitliche Risiko, dass mit dem Konsum von Fisch verbunden sein kann. So enthalten Fische bei bestimmten Zuchtumgebungen hohe Anteile an PCB (polychlorierten Biphenyle) oder Quecksilber. Greenberg reist quer durch die Welt und zeichnet ein Bild menschlicher Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Meer, dass lediglich als Ressource verstanden wird, die unendlich und rücksichtslos ausgebeutet wird. So schreibt er: “ Wollten wir große Wildfische weiter in der Menge verzehren, wie wir es im Moment tun, dann, so meinte unlängst ein Meeresökologe zu mir, bräuchten wir allerdings ‚vier bis fünf‘ Meere, um die gegenwärtige menschliche Bevölkerung zu ernähren.“
Dem Autor ist klar, dass es auf jeden Fall nicht mehr so weiter geht und er schlägt vor, auf Fische auszuweichen, die einen geringeren ökologischeren Fußabdruck aufweisen und einen höheren „Ertrag“ bringen. Dabei schlägt er vor, auf unbekanntere Fische zurückzugreifen, die pflegeleichter sind, die sich nach Meinung des Autors für die Aquakultur eignen und die als Vegetarier einen besseren „Ertrag“ bringen. Und genau da liegt eines der Probleme, die ich mit dem Buch habe. Gekonnt analysiert er die aktuell fast grenzenlose Ausbeutung der Meere und die damit verbundenen Probleme für die Fische und Menschen. Aber welche Erkenntnisse gewinnt der Autor aus seinen Analysen?
Er will eher zurück zu kleineren Fangschiffen in festgelegten Revieren, er setzt sich für eine kontrollierbare Aquamassentierhaltung ein und setzt auf neue Fische als Nahrungsquelle und fordert einen stärkeren Ausbau von Schutzzonen. Er plädiert vernünftiger Weise in Anbetracht des Raubbaus an den Fischen für eine Reduzierung der Befischung und höhere Preise für den Fisch. Alles insgesamt nachvollziehbare Ansätze und auch durchaus diskussionswürdige Vorschläge, um aus dem Desaster der aktuellen Situation herauszukommen. Aber wer hier denkt, Greenberg hat dabei den Fisch im Blick irrt sich gewaltig. Sein Fokus liegt durchgängig bei seinen eigenen Vergnügen mit der Angel und der Gabel in der Hand.
Er ist ein unverbesserlicher Speziesist, der seine Augen vor den Konsequenzen seines eigenen Handelns verschließt. Da ihm das Essen von Fisch und das Morden der Meeresbewohner zu wichtig sind. Er positioniert sich deutlich, wenn er behauptet “ Menschen haben scheinbar von Natur aus den Drang andere Geschöpfe beherrschen zu wollen.“ Er naturalisiert und verfestigt so sein Tun und Handeln bei der bestialischen Jagd nach Großen und immer seltener werdenden Fischen.
Was mir das Lesen zu einer unendlich scheinenden Qual gemacht hat, sind die immer wieder eingeschobenen Angelbeschreibungen des Autors. Seitenlang berichtet er über seine Jagd nach genau den Fischen, bei denen er vorher beschreibt, dass diese mehr Schutz benötigen. So berichtet er zum Beispiel im Kapitel über den Thunfisch ausführlich über sein mörderisches Vergnügen diesen großen Jäger der Meere zu besiegen.
„Der Thunfisch klatschte schwer auf das Deck. […] Trotz des wilden Kampfes war der Fisch noch wütend und gefährlich; er hatte die Größe eines Teenagers. Sein Blick aus den riesigen, von warmem Blut durchströmten Augen traf den meinen, und wir rangen beide nach Luft. Hätte der Thunfisch eine Stimme und Gabe der Vernunft besessen, hätte er an diesem Punkt gebettelt und geschrien. Aber das einzige Ausdrucksmittel des Thunfisches ist sein Schwanz. Ein Leben tut ein Thunfisch nichts anderes, als andauernd kraftvoll mit dem Schwanz zu schlagen. […] Bap-bap-bap-bap tönte es, bis der Matrose ihm die Kehle durchschnitt und das Blut an Deck strömte. Bap-baap-baaap-baaaap – der Motor wurde langsamer und blieb schließlich vollends stehen.“ (S. 212)
Der Autor scheint bei seinem Einsatz für die Rettung und Schutz des Fischbestandes hauptsächlich von seiner Leidenschaft am Fischmorden und dem Essen von Fischen geleitet zu sein. Greenberg berichtet von seinen während der Recherchen zum Buch gewonnenen Erkenntnissen und schreibt z.B. in einem Artikel für die New York Times ‚Lassen Sie die Finger von dem großen Fisch.‘ Um nur eine Seite weiter zu beschreiben, wie er köstliche und hauchdünne Scheiben Filetstück vom Thunfisch völlig unreflektiert in sich hineinstopft.
Dem Buch täte es wahrhaft gut, wenn alle diese überflüssigen und für mich schwer erträglichen Erlebnisse des Meeresbezwingers und Anglers getilgt wären und auf den verbleibenden 100 bis 150 Seiten ein fundierter und nützlicher Beitrag für ein Umdenken im Umgang mit dem Meer übrigbleiben würde. Dann hätten wir ein Buch in der Hand, das in Bezug auf die vier Fische einen Geschichte über das Jagen und Kultivieren von Lebenwesen mit all seinen schrecklichen Folgen aufzeigen würde.
Neben den bereits dargestellten Schwächen des Buches bleibt ein großes Problem! Das aber ebenfalls in der speziesistischen Grundhaltung des Autors begründet liegt. Er schreibt ein Buch über Fische, ohne ein einziges Mal seine gewohnte Perspektive zu wechseln und den Fisch als das zu sehen, was er ist: ein Lebewesen, dass Schmerzen kennt und leidet. Und zwar weit über das Schlagen mit der Schwanzflosse hinaus. Dies kann Greenberg nicht gelingen, da seine Liebe zum Fisch durch seinen eigenen Magen geht. So schreibt er: „Wer sich mit Fischen befasst, Fischen nachstellt oder unter Fischen lebt, der liebt Fische über alles.“
Wer sich aber für Auswege aus dem Dilemma des Krieges gegen die Fische, wie der renommierte Autor Jonathan Safran Foer die Beziehung zwischen Mensch und Fisch treffend kennzeichnet, interessiert, sucht bei Greenberg leider vergeblich. Empfehlen möchte ich hier die 30 Seiten, die Andreas Grabolle in seinem Buch „Kein Fleisch macht glücklich“ dem Thema Fisch widmet. Hier finden sich verdichtet die Informationen, die ich bei Greenberg vergeblich suchte und die für die Auseinandersetzung mit dem Thema zwingend notwendig sind. Ach ja, auch Grabolle war Angler aber er positioniert sich deutlicher gegen die derzeitigen Fangmethoden, die quälerische Aquamassentierhaltung und das Essen von Fischen.
Dieses Buch ist im Onlineshop und in unseren Läden bestellbar. Mit deiner Bestellung bei uns förderst du unsere Arbeit als soziales und integratives Unternehmen und unterstützt uns bei der aktiven Leseförderung durch Projekte wie den Berliner Lesetroll.
Titel: Vier Fische Wie das Meer auf unseren Teller kommt
Autor: Paul Greenberg
Übersetzerin: Anne Uhlmann
Verlag: Berlin Verlag
Genre: Sachbuch, Naturwissenschaften, Angeln
ISBN: gebundene Ausgabe: 9783827010124, Taschenbuch: 9783833308321
Preis: gebundene Ausgabe: 22,00 €, Taschenbuchausgabe: 10,95 €
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