Wir danken Martin Hyun der, im Zuge seiner Lesereise, 40 Kg unserer Bücher nach Korea mitreisen lässt. Im Goethe-Institut Seoul stellt er, zusammen mit Wladimir Kaminer, sein Buch „Lautlos – Ja, Sprachlos – Nein“ vor.  Für die mitgereisten Bücher endet die Reise dort als Spende an das Goethe-Institut.

Hier nun eine kleine literarische Kostprobe des Autors, die er für den Berliner Büchertisch verfasst hat:

Bewaffnet mit reichlich deutscher Munition im Gepäck mache ich mich auf ins Land der Morgenstille, der letzten Bastion des kalten Krieges. Einem Land, das an der 38. Breitengrade seit Ende des Korea-Krieges 1953 in Nord- und Süd geteilt ist. Als ungewollter Mitläufer und Angehöriger Soldat, der Achse des Guten, eines fernöstlichen Vielfliegerprogramms habe ich den Gold Status erreicht. Dieser erlaubt mir bis zu 40 Kg an Gepäck aufzugeben, von denen ich Gebrauch machen werde. Meine Mission 03052010 in Korea unterscheidet sich von allen bisherigen Aufträgen, auf der Halbinsel.

Der heilige Krieg, der unter dem Namen „Dschihad“ in der westlichen Welt sofort Panik und Schrecken auslöst ist in Wirklichkeit eine Erfindung des Westens. Mein türkischer Bekannter in Krefeld heißt mit Vornamen „Dschihad“. Dschihad ist etwas korpulent, ein gemütlicher Zeitgenosse, der alles andere als Schrecken und Terror verbreitet und nicht im Geringsten, wie ein Mullah a la Osama Bin-Laden aussieht. Der belastete Name wurde ihm mit Liebe, noch vor dem 11. September 2001, von den Eltern gegeben. Dschihad ist 79er Jahrgang. Aus nachrichtendienstlichen Kreisen, weiß ich, dass der Dschihad seinen Ursprung von den deutschen Ausländerämtern und Behörden hat und dort auch ausgerufen wurde. Ziel ist es Ausländer in den Ämtern so zu terrorisieren, dass sie freiwillig zurückkehren. Aber das ist eine andere Geschichte. Letztens beklagte sich Dschihad, dass der Name ihm, gerade bei Buchungen von Flügen zum großen Hindernis würde. Reisen in die emotionale Heimat Türkei, könne er deshalb nur noch mit dem Auto unternehmen. Dennoch versichert mir Dschihad, dass er sich keinen Gürtel mit Bomben anschnallen oder zu einer Ausbildung nach Pakistan fliegen würde. Er liebe das süße Leben in Deutschland und denke deshalb an einer Namensänderung und sehe diese als Patriotismus-Akt an. „Welcher Name schwebt Dir so im Kopf?“ fragte ich Dschihad. Hoffentlich nicht „Adolf“ dachte ich mir im Stillen, den der Name ist absolut schwer belastet und nicht mehr rein zu waschen. Und wie aus einer M16 herausgeschossen kam die Antwort „Gottfried!“ „Warum?“ erwiderte ich verdutzt. „Gottes Frieden! Gottfried! Verstehst Du?!“ Ich verstand. Bei meinem nächsten Besuch in meiner Heimatstadt Krefeld gehe ich der Sache noch mal nach. Als ich über Dschihads Pläne nachdachte, bin ich heilfroh, dass meine Eltern vorausgedacht und mich mit einem christlichen, friedvollen, unbelasteten, deutschen Namen verziert haben.

Mit der deutschen Munition im Gepäck werde ich ohne Probleme durch die Sicherheitskontrolle kommen, habe ich mir ausgemalt. Als „frequent Flyer“ bin ich, auch ohne harte Trainingslager in Pakistan und Afghanistan darin geübt. Nicht das sie denken, dass ich einer terroristischen GmbH angehöre. Ich bin kein Terrorist, obwohl, wenn man mich lang genug reizt zu einem mutieren kann, oder aber, sie sehen meine Mitgliedschaft bei der WWF als solches an. Die Entscheidung liegt immer im Auge des Betrachters. Zu dem gibt es einfach zu viele solcher Organisationen, wie es politische Parteien gibt, die verschiedene Philosophien vertreten und die Entscheidung dadurch erschweren. Zudem existieren bei diesen Organisationen auch keine Antragsformulare, die man ausfüllen und irgendwo einreichen könnte. Ich kämpfe ohne Waffen. I am a Lover not a fighter. Als Schreibtischtäter sind meine Waffen Wörter, die zugebenermaßen, manchmal schmerzlicher sein können, wie Pistolenkugeln.

Jedenfalls habe ich mir auch so meine Gedanken gemacht, was ich beim Ausfüllen der Einreiseformulare ankreuzen bzw. angeben werde, speziell bei der Einfuhrfrage und ob ich etwas zu verzollen habe. Ich bin ein ehrlicher Staatsbürger Deutschlands und bestehe deshalb auf bürokratischem Pedantismus. Als Antwort habe ich mir überlegt „deutsche Wunderwaffen“ niederzuschreiben, ohne dies weiter zu erläutern. Die detaillierte Erklärung soll nach meinem Plan, vor Ort, direkt mit dem Zollbeamten geschehen. Wir müssen uns in die Augen schauen können. „Mein Auftraggeber, der Berliner Büchertisch hat mich mit der Mission abgeordnet, in „ihr“ Land mit diesem Pulverfass deutscher Literaturgeschosse einzureisen und zu verbreiten“. So in etwa werde ich dem Beamten antworten und ihm weiß machen, dass es sich hierbei nicht um Massenvernichtungswaffen handele, oder Missionierungsversuche der Scientology, sondern um Erzeugnisse zeitgenössischer deutscher Literaturagenten, wie Christa Wolf, Herman Hesse, Kurt Tucholsky, Theodor Fontane, Goethe, Feridun Zaimoglu und mein Freund Wladimir Kaminer. Wenn der Beamte mich auffordert, ein Kapitel aus irgendeinem Buch vorzulesen, dann schlage ich Kaminers „Russendisko“ auf und lese ihm das Kapitel, natürlich mit Übersetzung ins koreanische „Nur die Liebe sprengt die Welt“ vor. Für den Inhalt der geistigen Erzeugungen, dieser Literaturagenten übernehme ich keinerlei Haftung. Ich bin nur der Botschafter und den, wie man weiß, tötet man nicht.

Wir wünschen eine gute Reise!